Unerwünschter Untermieter

Berlin. Seit einer erfolgreichen Operation vor sieben Jahren feiert Britta Elm jedes Jahr zweimal Geburtstag Manche Berufe sind lebensgefährlich. Aber gelegentlich rettet dir deine Arbeit auch das Leben. Genau das ist Britta Elm passiert. Sie arbeitete 2017 für den RBB, meldete sich für das Gesundheitsmagazin „Praxis“ immer wieder als Reporterin aus Operationssälen. Sie begleitete Patienten


Berlin. Seit einer erfolgreichen Operation vor sieben Jahren feiert Britta Elm jedes Jahr zweimal Geburtstag

Manche Berufe sind lebensgefährlich. Aber gelegentlich rettet dir deine Arbeit auch das Leben. Genau das ist Britta Elm passiert. Sie arbeitete 2017 für den RBB, meldete sich für das Gesundheitsmagazin „Praxis“ immer wieder als Reporterin aus Operationssälen. Sie begleitete Patienten von der Diagnose über die Operation bis zur Rehabilitation und traf sie ein halbes Jahr später nochmal, um herauszufinden, wie es ihnen inzwischen ging. Eine Arbeit, mit der sie nah dran war an der Lebenswirklichkeit der Zuschauer.

Diese Beiträge, das liegt in der Natur des Fernsehens, wurden besser, wenn gezeigt und nicht nur erklärt wurde. Wie im September 2017, als es um Kopfschmerz ging. Da ließ Britta Elm sich auf Vorschlag der Redakteurin ins MRT schieben, weil das einfach anschaulicher war. Am Ende des Drehtages stand der Professor vor ihr: „Frau Elm, kommen Sie mal bitte, ich muss mit Ihnen was besprechen.“ Ihr erster Gedanke: „Das Team hat irgendwas kaputt gemacht!“ Das Klischee, nach dem Leute von Film und Fernsehen wahnsinnig trampelig unterwegs sind und mit ihrer „Hoppla, hier sind wir!“-Attitüde so manchen Flurschaden anrichten, ist nämlich nicht völlig abwegig.

Das Wort Anomalie war nur eine freundliche Umschreibung

Aber der Herr Professor hatte etwas anderes. Er tippte auf den MRT-Ausdruck: „Da ist eine Anomalie. Die Untersuchung muss mit Kontrastmittel wiederholt werden.“ Die Reporterin, die von einem Moment zum nächsten zur Patientin wurde, ahnte schon, dass „Anomalie“ die freundliche Umschreibung für „Tumor“ war. Der Mediziner bestand darauf, dass sie zu ihrem Hausarzt ging und sich von ihm eine Überweisung geben ließ. Die Dreharbeiten waren das eine, aber bei Diagnose und Behandlung muss alles seinen richtigen Weg gehen, schon wegen der Abrechnung.

Gleich ihr nächster Gedanke: „Hat jemand vom Team mitbekommen, dass Sie da was entdeckt haben?“ Der Professor war sich sicher, dass er das durch sein diskretes Verhalten verhindern konnte. Ihr war es recht: „Ich wollte nicht, dass die im RBB wissen, dass ich da was im Kopf habe, weil die mich dann garantiert anders behandelt hätten.“

Der Tod gehörte für Britta Elm schon früh zum Leben

Als Kind war Britta Elm regelmäßig auf dem Friedhof. Ihren Eltern gehörte in Frankfurt am Main ein gut gehendes Blumengeschäft, sie half oft bei Lieferungen, von denen viele zum Friedhof gingen: „Ständig waren Trauernde im Laden, denen meine Eltern beim Planen von Begräbnissen halfen. Der Tod gehörte für mich schon früh zum Leben.“ Damals war es auch noch üblich, dass sich Hinterbliebene am offenen Sarg von ihren Verstorbenen verabschiedeten. Britta, ihr Vater und ihr Großvater legten dann vorher die gewünschten Blumen in den Sarg.

Kolumnist und Trauerredner Andreas Kurtz
Kolumnist und Trauerredner Andreas Kurtz © BM | Heike Dietrich

Eine besondere Erinnerung hat sie an die Beerdigung ihrer Großmutter Magdalena, nach der sie ihre Tochter benannte: „Es war rappelvoll, bestimmt 300 Gäste. Sehr beeindruckend zu sehen, wie wichtig meine Oma auch anderen Menschen war.“ Das Blumengesteck für den Sargdeckel hatte Brittas Vater für seine Schwiegermutter angefertigt: „Und bei jeder Rose, die er da reinsteckte, heulte er.“

Bevor Britta Elm sich den unerwünschten Untermieter aus dem Kopf operieren ließ, schrieb sie ihr Testament. Und legte schriftlich fest, dass sich ihre Freunde, falls es schiefgehen sollte, bei einer Seebestattung vor Sylt von ihr verabschieden und anschließend bei Gosch eine gewisse Summe „verfressen und versaufen“ können: „Nach List auf Sylt fahre ich, wenn es mir gut geht und wenn es mir nicht so gut geht. Diese Insel hat mir gesundheitlich immer viel gegeben.“

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Die Festlegungen für ihre Bestattung vorher selbst zu treffen, war ihr wichtig: „Das habe ich so von meiner Mama gelernt. Die hat immer gesagt: ‚Wenn was ist, geh an die Schublade.‘ Und als sie dann mit 56 Jahren aus dem Leben gegangen war, lag in dieser Schublade das Stammbuch mit Zetteln, auf denen sie alles festgelegt hatte: welcher Pfarrer, welcher Psalm, welche Musik.“ Diesem Beispiel ist Britta Elm gefolgt: „So eine Vorsorge erlöst von vielen Fragen.“

Seit sie erlebt hat, wie schnell das Ende da sein kann, versucht Britta Elm Konflikte am selben Tag, an dem sie auftreten, zu klären: „Der Gedanke, dass ich mit einem ungelösten Konflikt einschlafe und dann vielleicht nicht wieder aufwache, gefällt mir nicht.“

Der Tumor ist seit dem 8. März 2018 raus. Seitdem feiert Britta Elm am Internationalen Frauentag ihren zweiten Geburtstag. „Ich hatte Glück, denn diese Art von Tumoren macht sich üblicherweise erst bemerkbar, wenn es für eine Operation zu spät ist.“ Das Bemühen um anschauliche Filmbilder für eine Reportage hat ihr das Leben gerettet.