Deutschland gilt als der weltweit wichtigste Messeplatz. Rund zwei Drittel aller internationalen Leitmessen finden hierzulande statt, meldet der Branchenverband AUMA. Dazu gehören etwa die Industrieschau Hannover Messe, die Bau in München, die Spielwarenmesse in Nürnberg, die Ernährungsmesse Anuga in Köln oder Boot und Caravan Salon in Düsseldorf. Beim Thema Rüstung und Verteidigung dagegen ist die Bundesrepublik ein weißer Fleck auf der Messe-Landkarte. Bislang jedenfalls. Nun drängen Deutschlands Messegesellschaften auch in diesen Geschäftsbereich.
Ab 2027 soll in Hannover alle zwei Jahre die „Defence & Security Equipment International Germany“ stattfinden, kurz DSEI Germany. Das kündigt die dort ansässige Deutsche Messe AG an, die dafür eine Partnerschaft mit dem im Rüstungsbereich erfahrenen britischen Veranstalter Clarion Events geschlossen hat. „Die globale Sicherheitsordnung steht vor beispiellosen Herausforderungen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, wachsende geopolitische Spannungen und die Verwundbarkeit kritischer Infrastrukturen erfordern von Deutschland und Europa ein verstärktes Engagement in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen“, sagt Jochen Köckler, der Vorstandschef der Deutschen Messe AG. Dieser Bedarf werde mit der DSEI Germany aufgegriffen.
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Die neue Sicherheits- und Verteidigungsmesse soll eine Plattform sein für militärische Ausrüstungen, Technologien und Systemlösungen für sämtliche Streitkräfte, also für Heer, Marine und Luftwaffe. „Wir decken die gesamte Wertschöpfungskette in allen Bereichen ab“, sagt Köckler. Unterstützung kommt dabei vom Bundesverteidigungsministerium. „Die Zeitenwende erfordert von uns nicht nur eine strategische Neuausrichtung unserer Verteidigungspolitik, sondern auch eine gezielte Förderung technologischer und industrieller Kompetenz“, sagt Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). „Deutschland braucht solche Plattformen wie DSEI Germany, um seine wehrtechnische Leistungsfähigkeit, Technologieführerschaft und Innovationsstärke auf internationalem Parkett zu präsentieren.“
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Diese politische Flankierung dürfte ein wichtiger Faktor sein, die neue Messe zu etablieren. Helfen soll zudem der international bekannte Markenname DSEI. Unter diesem Label findet in London alle zwei Jahre eine der nach Angaben von Veranstalter Clarion Events „global führenden Sicherheits- und Verteidigungsmessen“ statt. Clarion bringt nun den Namen und sein Branchennetzwerk ein, die Messegesellschaft aus Hannover wiederum den Standort und die Verbindungen in die deutsche Politik, aber auch zu internationalen Regierungen.
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„Dieses Netzwerk beruht auf jahrelangen Beziehungen durch zum Beispiel unsere Industriemessen“, erklärt Messe-Vorstand Köckler. Und tatsächlich wird die Hannover Messe stets von Staatschefs und Präsidenten eröffnet, zudem kommen zahlreiche politische Delegationen aus verschiedenen Ländern. „DSEI Germany soll ein Forum bieten für die Konsolidierung und den Ausbau von Partnerschaften und Allianzen sowohl innerhalb Europas als auch weltweit und gleichzeitig die Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik fördern.“
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Zum Start in gut zwei Jahren – geplanter Termin ist der Zeitraum vom 19. bis 22. Januar 2027 – peilen die Veranstalter eine Größenordnung von mindestens 20.000 bis 30.000 Quadratmetern Hallenfläche an. Zudem soll das Freigelände unter dem markanten Holzdach genutzt werden, das damals für die Weltausstellung Expo im Jahr 2000 gebaut wurde.
In Essen startet die Euro Defence Expo
Schon vier Monate vorher versucht sich auch die Messe Essen mit einem neuen Format am Thema Verteidigung. Ende September 2026 soll in der Ruhrgebietsstadt erstmals die Euro Defence Expo stattfinden. „Angesichts der aktuellen Bedrohungslage müssen wir Schutz und Sicherheit neu denken“, begründet Oliver P. Kuhrt, der Geschäftsführer der Messe Essen. Die Euro Defence Expo wird dabei an die etablierte Messe Security angedockt, den Branchentreff der Sicherheitswirtschaft mit Themen wie Brandschutz, Videoüberwachung, Cyber Security oder Freilandschutz. „Damit haben wir eine Kombination aus militärischer und ziviler Leistungsschau plus begleitender Konferenz“, beschreibt Kuhrt. Ergänzend arbeitet die Messe Essen auch daran, die militärtechnische Kommunikationsplattform und Konferenz „Rü-Net“ von Koblenz nach Essen zu verlegen. Veranstalter ist der Fachverlag CPM.
Die Euro Defence Expo richtet sich unter anderem an Angehörige der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte, an Politiker und Ministerien, aber auch an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. Als eines der ersten namhaften Unternehmen hat der schwäbische Waffenhersteller Heckler&Koch seine Teilnahme zugesagt. „Der russische Angriffskrieg hat noch einmal vor Augen geführt, dass die deutsche wehrtechnische Industrie Teil der Sicherheitsarchitektur unseres Landes sein muss“, sagt Andreas Schnautz, Finanzvorstand bei Heckler&Koch. Eine eigene Rüstungsmesse in Deutschland trage dieser herausgehobenen strategischen Bedeutung der Branche Rechnung.
Dass noch weitere deutsche Veranstalter ihre Chance suchen werden, scheint nicht ausgeschlossen. Auch andere Messe-Standorte hätten ihre Fühler ausgestreckt, heißt es in der Branche. Hannovers Messechef Köckler bleibt dennoch gelassen. „Wettbewerb wird es geben“, sagt der Manager. Das Thema sei mit der Zeitenwende schließlich groß geworden. „Unser Vorteil ist aber, dass die DSEI Germany von der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt wird.“
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Weltweit gibt es bereits eine Vielzahl an Messen rund um das Thema Rüstung und Verteidigung. Als Branchenführer in Europa gelten die DSEI in London und die Eurosatory in Paris, die sich in einem Zweijahresrhythmus jeweils abwechseln. Zuletzt fand im Sommer die Eurosatory statt – mit einer Rekordbeteiligung von 2000 Ausstellern. Ebenfalls in Paris angesiedelt ist die Euronaval, eine auf die Truppengattung Marine spezialisierte Messe, die zuletzt mit fast 500 Ausstellern im November stattgefunden hat. Zunehmend von Bedeutung ist weltweit die IDEX International Defense Exhihibition & Conference in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Deren nächster Termin ist im Februar 2025. Wachsende Ausstellerzahlen verzeichnet zudem die alle zwei Jahre veranstaltete World Defense Show in Riad in Saudi-Arabien.
In Deutschland gibt es bisher keine originäre Rüstungsmesse. Und noch vor ein paar Jahren wäre das auch nicht denkbar gewesen. Der russische Überfall auf die Ukraine hat den Blick auf das Militärische aber auch hierzulande verändert. Sichtbar wurde das schon bei der ILA in Berlin Anfang Juni. Die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung war sehr stark von Rüstungsthemen geprägt. Größter Aussteller auf der ILA ist die Bundeswehr. Offensiv präsentierten sich zudem Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, Airbus oder Diehl.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.