Berlin. Jahrzehntelang war die Gardeschützenkaserne Quartier des US-Militärs. Dann zogen die Amerikaner ab, das Bauensemble stand leer.
In der Kaiserzeit als Gardeschützenkaserne errichtet diente das große Backstein-Bauensemble am Gardeschützenweg in Lichterfelde mehr als vier Jahrzehnte den US-amerikanischen Streitkräften als Stützpunkt in Westberlin. In dem Gebäudekomplex war das paramilitärische Wachbataillon „6941st Guard Battailion“ untergebracht. Mit dem Abzug der Alliierten Anfang der 1990er-Jahre standen die meisten der Gebäude der ehemaligen Lichterfelder Kaserne mit einem Schlag leer. Für sie musste dringend eine neue Verwendung gefunden werden, sollten sie nicht das Schicksal anderer US-Hinterlassenschaften als verlassene Orte teilen. Die wichtigsten Infos zu dem Lost Place.
Das sind die Fakten zur ehemaligen US-Kaserne „Roosevelt Barracks“:
- Adresse: Gardeschützenweg 101, 12203 Berlin-Lichterfelde
- Geschichte: 1881 bis 1884 als Kaserne des Garde-Schützen-Bataillons errichtet; zwischen 1945 und 1991 von den US-amerikanischen Streitkräfte als Kaserne „Roosevelt Barracks“ genutzt; danach überwiegend Leerstand in den 1990er-Jahren
- Führungen: Keine
- Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09065812
- Status: Ehemaliger Lost Place. Nach Sanierung und Umbau seit 2003 einer der Dienstsitze des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin
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Wo lag die Roosevelt-Kaserne genau?
Die Roosevelt Barracks lagen in einem Karree zwischen dem Gardeschützen- und Tietzenweg, dem Augustaplatz und der Viktoriastraße im Ortsteil Lichterfelde des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Areal am besten vom S-Bahnhof Botanischer Garten (S1) zu erreichen. Von dem Bahnhof benötigt man etwa vier Minuten zu Fuß bis zu dem Grundstück der ehemaligen Kaserne. Alternativ können auch die Buslinien 188 und N88 (Haltestelle Botanischer Garten) genutzt werden. Auch interessant: „Lost Places“: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch
Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte der Roosevelt Barracks:
Ausgangslage: Stationierung der US-Armee im Südwesten Berlins
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bezogen die US-Amerikaner ihre Quartiere im Südwesten der geteilten Stadt: An der Clayallee in Dahlem – vormals Kronprinzenallee – lag der Sitz des Stadtkommandanten, in Lichterfelde West der US-Militärbahnhof, Militärdepots und Schießplätze wurden errichtet, abgeschottete Wohnsiedlungen entstanden für die Familien und Armeeangehörigen und große Kasernenanlagen für die Soldaten.
Eine von diesen war die alte Gardeschützenkaserne in Lichterfelde. Als die Amerikaner kamen, hatten die hochaufragenden Ziegelfronten der preußischen Kaserne schon mehr als 60 Jahre Stadtgeschichte begleitet. Sie hatten Generationen von Soldaten einrücken und in den Krieg ziehen sehen und zwei Weltkriege überstanden. Der Ausgangspunkt der Geschichte der Kaserne begann zeitgleich mit der Entstehung von Lichterfelde als Villenkolonie am Rande der Stadt.
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Gardeschützenkaserne: Ein ruinöses Geschenk an die preußische Armee
In die Villenkolonie Lichterfelde – damals noch vor den Toren der Stadt gelegen – investierte seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Hamburger Bauunternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn (1822–1896). Seine Vision: aus der eigenständige Landgemeinde im grünen Speckgürtel der Metropole ein attraktives Wohnviertel für begüterte Berliner werden zu lassen.
Um seinem ambitionierten Immobilienprojekt die nötige Zugkraft zu verleihen, setzte Carstenn auf die preußische Armee. Er überließ dem Staat eine riesige Baufläche an der Zehlendorfer Straße (heutige Finckensteinallee) zum Bau der neuen Hauptkadettenanstalt, finanzierte den Umzug der Militärs von ihrem alten Quartier an den neuen Standort, schuf neue Verkehrsanbindungen, darunter die weltweit erste elektrische Straßenbahn, und übernahm auf eigene Kosten den Bau einer neuen Kaserne für das preußische Garde-Schützen-Bataillon.
Städtebaulich ging der Plan des Unternehmers auf: Soldaten und Offiziere zogen nach Lichterfelde und setzten entscheidende Entwicklungsimpulse. Für ihn persönlich bedeutete der Bau der Militärkomplexe und die damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen fast den Ruin. Vor Gericht musste er sich als „verarmter Geschenkgeber“ einen finanziellen Ausgleich erstreiten: eine jährliche Rente und eine einmalige Abfindung sicherten ihm die Pension.
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Gardeschützenkaserne: Errichtung der Anlage in der Kaiserzeit
Bei dem Neubau für die Gardeschützen in Lichterfelde handelte es sich um einen der größten und prächtigsten Kasernenneubauten der Zeit nach der Reichsgründung. Carstenn hatte für das Bauensemble ein rund 60.000 Quadratmeter großes Areal an der damaligen Steglitzer Straße (ab 1935 Gardeschützenweg) reserviert. Mit dem Bau der Kaserne wurde im Jahr 1881 begonnen. Die Entwürfe stammten vom Intendantur- und Baurat im preußischen Kriegsministerium Ferdinand Schönhals (1842–1915). Verantwortlich für die Umsetzung des megalomanen Projekts zeichnete Regierungsbaumeister Ernst August Roßteuscher (1849–1914).
Die Kaserne war im Stil norddeutscher Backsteingotik entworfen. Die Verspieltheit einzelner Bauelemente und der Bauschmuck erinnerte aber eher an Schlossarchitektur, denn an karge, preußische Soldatenunterkünfte. Das Bauwerkensemble war von Beginn an als ein Schmuckstuck der neu entstehenden Villenkolonie geplant worden. Alle späteren Baumaßnahmen passten sich dem ursprünglichen Stil an.
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Gardeschützenkaserne: So war die Anlage aufgebaut
Der Aufbau der Gardeschützenkaserne folgte den grundlegenden Prinzipien damaliger Garnisonsarchitektur. Nach üblicher Manier gruppierten sich die Kasernengebäude zu den Straßenzügen hin, so dass sie rückwärtig einen großen offenen Platz einschlossen. Entlang der Straße erstreckte sich das lange Hauptgebäude, das der Unterkunft für bis zu 600 Soldaten und als Speisesaal diente. Hier untergebracht waren die Soldaten des seit 1814 bestehenden Garde-Schützen-Bataillons – einem Infanterieverband der preußischen Armee, die zuvor in der Köpenicker Straße in Kreuzberg einquartiert waren, aus Platzmangel aber einer neuen Kaserne bedurften.
Über den vierstöckigen Mitteltrakt des Hauptgebäudes der Gardeschützenkaserne erhob sich majestätisch ein Hauptturm über fünf Stockwerke. Er bildete mit seinem bekrönenden Kegeldach die zentrale Mittelachse des Kasernenareals. Die zwei dreistöckigen Flügel des knapp 140 Meter langen Gebäudes wurden jeweils durch Eckrisalite abgeschlossen. Rechts und links des Hauptgebäudes waren zwei identische Unteroffiziershäuser platziert.
An der rückwärtigen Front lagen hintereinander gestaffelt ein kleiner und ein großer Exerzierplatz. Um die Plätze gruppierten sich ein Offiziersgarten, das Lazarett der Kaserne, ein Fahrzeugschuppen, eine Büchsenmacherei, in welcher Schusswaffen hergestellt und repariert wurden, ein Pferdestall, zwei Abortgebäude und ein Exerzierhaus. Die zwei- und dreistöckigen Bauten der Kaserne waren mit roten Ziegeln verkleidet, was zum einheitlichen Gesamtbild des Kasernenbaus beitrug.
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Gardeschützenkaserne: Neubauten während des Ersten Weltkriegs
Zwischen 1911 und 1915 wurde die ohnehin großzügig dimensionierte Kaserne in Lichterfelde noch erweitert. Zu den ursprünglichen Soldatenquartieren kamen mehrere Mannschaftshäuser, die als Neubauten dem Kasernenareal hinzugefügt wurden. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts waren ein Turnschuppen mit Reithalle und ein Krankenstall ergänzt worden. Jetzt kamen noch Wohnkasernen für die Garde-Maschinengewehr-Abteilung und für die Radfahr-Kompagnie hinzu.
Ein feierliches Richtfest musste entfallen. Seit 1914 herrschte Krieg in Europa. Die Soldaten wurden ins Feld geschickt. Im Ersten Weltkrieg gehörten das in Lichterfelde stationierte Garde-Schützen-Bataillon zu den ersten an die Westfront abrückenden Truppenteile. Sie beteiligten sich am Überfall auf Belgien und dem Einmarsch in Nordfrankreich.
Bereits im September 1914 war das aktive Bataillon an der Westfront beinahe komplett aufgerieben. Es wurde durch Reservisten und Freiwillige aufgefüllt. Die Kaserne in der Heimat war durch nachrückende Soldaten des Garde-Reserven-Schützen-Bataillons in Beschlag genommen worden, das sich überwiegend aus jüngeren Reservistenjahrgängen rekrutierte. Die zweihundertjährige Tradition des Bataillons endete 1919, als die Militäreinheit gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrags aufgelöst wurde.
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Gardeschützenkaserne: Aufrüstung in der Weimarer Republik
In Lichterfelde übernahm nach deren Gründung 1920 die Reichswehr das Kommando. Die Kaserne wurde vom Reichswehr-Schützen-Bataillon 29 genutzt, das Teil des antirepublikanischen Infanterie-Regiments 9 war – auch bekannt als „Graf Neun“, wegen seines überdurchschnittlich hohen Anteils an Adligen. Das Aristokraten-Regiment stand während der Weimarer Republik mehrfach in der Kritik, an überholte Militärtraditionen anzuknüpfen. Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten war das Regiment 9 zuständig für die militärische Ausbildung der Adolf Hitler persönlich unterstellen „Leibstandarte SS“.
Seit Ende der 1920er-Jahre erfolgten an der ehemaligen Gardeschützenkaserne größere Baumaßnahmen: 1929 zog die ursprünglich geheime Feuerwerkerschule der Reichswehr von der Artillerieschule Jüterbog in die Lichterfelder Kaserne, wo eine eigenstände Heeresfeuerwerkerschule eingerichtet wurde. Hier wurden künftig die Munitions- und Sprengstoffexperten ausgebildet, die als Feuerwerker und Waffen-Offiziere in den Heeresteilen dienten.
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Gardeschützenkaserne: Ausbildung von Sprengstoffexperten bis zum Kriegsende
Mit der Vorbereitung auf den Krieg durch die Nationalsozialisten wurde die Kaserne am Gardeschützenweg zwischen 1933 und 1937 stark erweitert und dem Gebäudekomplex unter anderem ein Unterrichtsgebäude, ein Wirtschaftsgebäude, mehrere Werkstätten und ein weiteres Mannschaftshaus hinzugefügt. Für die Anbauten wurde das Gelände um 20.000 Quadratmeter nach Süden zur Manteuffelstraße hin erweitert. Das Wohnhaus am Augustaplatz 8 wurde 1936 zum Geschäftszimmerhaus der Kaserne; die benachbarte Villa mit der Hausnummer 7 zum Offizierskasino umgebaut. Die sonstigen Wohnhäuser an der Viktoriastraße mussten den Neubauplänen weichen. An ihrer Stelle entstanden Mannschaftshäuser für die Heeresfeuerwerkerschule, weitere Werkstätten, Wirtschaftsgebäude und Labore.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs blieb die Kaserne Standort der Heeresfeuerwerkerschule der Wehrmacht. Während von 1943 bis Kriegsende der Süden Berlins verheerende Bombenangriffe erlebte, überstanden der Gebäudekomplex am Gardenschützenweg die Luftangriffe im Krieg ohne größere Beschädigungen. Im April 1945 befreiten Einheiten der Roten Armee den Südwesten Berlins. Die Schlacht um Berlin hatte begonnen. Sie sollte gut zwei Wochen andauern – bis die Stadt genommen und das „tausendjährige Reich“ sein frühzeitiges Ende gefunden hatte. Im Juli 1945 bezogen die alliierten Truppen ihre jeweilige Besatzungszone. Die US-Armee übernahm die Wehrmachtskaserne am Gardeschützenweg.
Gardeschützenkaserne: Umbau zum US-Quartier „Roosevelt Barracks“
Mit der Übernahme durch die US-amerikanischen Streitkräfte kam es innerhalb der Kaserne zu größeren Umbauten und Veränderungen. Die GIs passten die alte Kaserne – die seit 1950 zu Ehren des 1944 in der Normandie gefallenen US-Brigadegenerals Theodore „Ted“ Roosevelt Jr. (1887–1944), dem Sohn des 26. US-Präsidenten Theodore Roosevelt, „Roosevelt Barracks“ hieß – ihren Bedürfnissen an.
Die Exerzierplätze wurden in Parkplätze umgewandelt. Die Mannschaftshäuser und die Feuerwerksschule wurden von den Soldaten als Quartier bezogen. Die Kantine im Hauptgebäude wurde nach amerikanischen Standard zur „Mess Hall“ ausgebaut und eines der flankierenden Offiziershäuser in eine US-Krankenstation verwandelt. Im ehemaligen Wirtschaftsgebäude befand sich der Führungsstab. Außerdem wurde ein General Store zur Verpflegung der Soldaten und eine Autowerkstatt eingerichtet. Unter amerikanischer Flagge wurde das Areal um weitere 5000 Quadratmeter auf eine Größe von 85.000 Quadratmetern erweitert.
Gardeschützenkaserne: Stationierung eines US-Wachbataillons
Seit 1945 waren am Gardeschützenweg US-Soldaten eines Infanterieregiments stationiert, genauer Einheiten des 3. Bataillons des „16th Infantry Regiment“. 1950 wechselte die Belegung. Jetzt wurde die Kaserne zum Standort des „6941st Guard Battalion Berlin“ – einer Wacheinheit, die sich vorrangig aus deutschen Staatsangehörigen und Angehörigen der NATO-Staaten rekrutierte.
Bereits unmittelbar nach dem Krieg waren Deutsche von der US-Armee als Sicherheitskräfte dienstverpflichtet worden, zunächst als „Civilian Guards“ und später als „Industrial Police“ sicherten sie unter anderem während der Berlin Blockade und der Berliner Luftbrücke Ende der 1940er-Jahre wichtige Güter zur Versorgung der Stadt. 1950 bildeten die USA aus der behelfsmäßigen Truppe eine paramilitärische Einheit von „Zivilbeschäftigten“, die der US-Armee angegliedert war. Ihre Aufgabe bestand hauptsächlich in der Sicherung von US-Einrichtungen, Kasernen und Gütern in Westberlin.
Gardeschützenkaserne: Das waren die Aufgaben des „6941st Guard Battalion Berlin“
Angehörige des Guard Battalions bewachten die Standorte der US-Armee und der US-Behörden, sie sicherten beispielsweise das US-Hauptquartier an der Clayallee, machten Patrouillenfahrten durch die Wohnviertel der Amerikaner, schützten die große Allliierte Parade im Tiergarten, die jedes Jahr stattfand, und führten Personenkontrollen auf dem Deutsch-Amerikanischen-Volksfest in Zehlendorf durch.
Die Ausrüstung des Guard Battalions entsprach der eines leichten Infanteriebataillons. Die uniformierten Angehörigen, die an einem Wappen mit Berlin Bär erkennbar waren, wurden an Schusswaffe – von Kleinkaliberpistolen bis zu Sturmgewehren – ausgebildet und waren je nach Einsatzvorgaben bewaffnet. Die Kaserne am Gardeschützenweg war bis auf eine kleine Unterbrechung Ende der 1950er-Jahre mehr als 40 Jahre Heimatort der Einheit in Berlin. Das Wachbataillon war von 1950 bis 1958 in den „Roosevelt Barracks“ stationiert, zog dann in die ehemalige Kadettenanstalt in der Finckensteinallee, und bezog nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 wieder ihr altes Quartier am Gardeschützenweg, wo sie bis 1991 beheimatet blieben.
Gardeschützenkaserne: Verheerende Brand kostet sechs Menschen das Leben
Neben dem Wachbataillon gab es noch andere Parteien, die den riesigen Gebäudekomplex der „Roosevelt Barracks“ seit den 1950er-Jahren nutzten. Als Untermieter des US-Armee fanden sich in den Nebengebäuden sowohl die Berliner Polizei als auch das Technische Hilfswerk Steglitz ein. Das THW Steglitz bezog 1958 das Gelände, musste aber, nachdem die US-Militärverwaltung ihr Gebäude beschlagnahmte, mit dem alten Pferdestall vorliebnehmen und räumte das Areal bereits 1961 wieder.
Nutznießer war die Berliner Polizei, die im südlichen Geländeteil zuerst das Polizeirevier 196 einrichtete und ab den 1980er-Jahren die Polizeidirektion 4, Abschnitt 45. Außerdem gab es auf dem Gelände eine Abschiebehaftanstalt am Augustaplatz, die alsbald durch einen verheerenden Brand in die Schlagzeilen geriet: Im Zellenbereich des Abschiebegefängnisses war in der Silvesternacht 1983/1984 ein Feuer ausgebrochen, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen.
Die Aufarbeitung der genauen Umstände brachten den damaligen Berliner Innensenator Heinrich Lummer (CDU) in Bedrängnis, der nach seinem Amtsantritt mit einem Abschiebungsplan („Lummer-Erlaß“) auffällig geworden war, der tausende ausländische Jugendliche betroffen hätte – nach öffentlichen Protesten aber abgeschwächt wurde. Nach dem Brand am Augustaplatz standen die Abschiebebedingungen in Berlin erneut auf dem Prüfstand.
Gardeschützenkaserne: Teilleerstand nach Abzug der Amerikaner
Nach der Wiedervereinigung wurde das Kasernengelände von den US-amerikanischen Streitkräften aufgegeben. Unmittelbar nach dem Mauerfall war in den Roosevelt Barracks noch kurzzeitig eine Flüchtlingsunterkunft untergebracht, die von US-Stadtkommandant Raymond E. Haddock eröffnet worden war. 1991 wurde die Kaserne von den Amerikanern geräumt. Die bis dahin am Gardeschützeweg stationierte „6941st Guard Battalion“ wurde in die alte Kadettenanstalt in der Finckensteinallee verlegt, bevor sie 1993 aufgelöst wurde. Ein Jahr später wurde die Berlin Brigade durch US-Präsident Bill Clinton deaktiviert und die verbliebenen Militärs aus Deutschland abgezogen.
Damit endete auch am Gardeschützenweg eine Ära – und für das unter Denkmalschutz stehende Bauensemble musste dringend eine neue Aufgabe gefunden werden, sollte es nicht als verfallener Lost Place in Lichterfelde enden. Nach dem Abzug des US-Wachbataillons war die Kaserne für kurze Zeit von der Bundeswehr übernommen worden, die dort aber keine Dienststelle unterbrachte. In den 1990er-Jahren dienten einige der Kasernengebäude außerdem der Bundesaufsicht für Kreditwesen als Dienstsitz und das Areal im Süden zum Augustaplatz hin wurde weiterhin von der Berliner Polizei genutzt, die dort bis heute einen Polizeiabschnitt unterhält.
Gardeschützenkaserne: Der BND zieht in die Berliner Liegenschaft
Ursprünglich als Provisorium geplant, wurde die Liegenschaft Anfang der 2000er-Jahre für den Bundesnachrichtendienst (BND) hergerichtet. Der Standort am Gardeschützenweg sollte die Wartezeit auf das damals noch nicht errichtete BND-Hautgebäude an der Chausseestraße in Mitte verkürzen und damit den Umzug der Geheimdienstler von Pullach nach Berlin beschleunigen. Bis 2003 wurden die Gebäude der ehemaligen Kaserne für rund 15 Millionen Euro in Schuss gebracht und für die neuen Aufgaben als Nachrichtendienstzentrale umgebaut. Auf dem Areal entstand außerdem als abhörsicherer Neubau ein dreigeschossiges Lage- und Informationszentrum.
Mit der Fertigstellung 2003 konnten 1000 BND-Mitarbeiter ihre neue Außenstelle in Berlin beziehen. Eigentlich war geplant, dass sie nach der Eröffnung der BND-Zentrale 2019 an ihren neuen 1,5 Milliarden teuren Dienstsitz nach Mitte hätten umziehen sollen, doch die Lichterfelder Ex-Kaserne war bei den Schlapphüten so beliebt, dass sie auch auf diesen Standort nicht verzichten wollten. Die Agenten blieben und die alte Gardeschützenkaserne wurde zur dauerhaften BND-Präsenz in Berlin. In den nächsten Jahren soll die Außenstelle noch weitere Sanierungen und Modernisierungen erfahren: Für den geplanten Ausbau des mit hohen Ziegelmauern und dornenbewährten Eisenzäunen umfriedeten Spionagezentrums sind Mittel von 68 Millionen Euro einkalkuliert – dafür allein 14 Millionen Euro für ein neues Lage- und Informationszentrum.
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