Da hatte Xabi Alonso, wenn auch unfreiwillig, die Gerüchteküche aber mal so richtig angeheizt. Als der Trainer von Bayer Leverkusen vor dem Spiel bei Borussia Dortmund gefragt wurde, warum denn Florian Wirtz überraschend doch nicht in der Startelf stehe, gab er eine etwas kryptische Antwort. Bei Wirtz sei am Vormittag „etwas vorgefallen, etwas Internes“ sagte er im Fernsehinterview bei DAZN – und ließ alle ratlos zurück.
Was bedeutet das dann?
,
Prompt wurde kräftig spekuliert. Der derzeit wohl am höchsten gehandelte deutsche Fußballer, der sich in absoluter Topform in die Weihnachtspause verabschiedet hatte, müsse sich offenbar eine Disziplinlosigkeit geleistet haben, wurde vermutet. Denn schließlich hatte die Social Media-Abteilung von Bayer 04 zuvor ja die vermeintliche Startelf für das erste Bundesligaspiel im Jahr 2025 gepostet: mit Wirtz und dem Argentinier Roberto Palacios, der dann bei Anstoß ebenfalls doch nur auf der Bank saß.
Erst nach dem 3:2 (3:1) von Bayer beim BVB wurde das Mysterium aufgeklärt. Der Hintergrund wäre keine Disziplinlosigkeit gewesen, sagte Xabi Alonso in der Pressekonferenz. „Es gab heute Morgen eine Situation“, sagte er und wechselte dann, um weitere Missverständnisse zu vermeiden, vorsichtshalber ins Englische. „Flo und Exequiel standen im Stau an der Autobahnbrücke (die Brücke, die die A1 über den Rhein führt und Köln mit Leverkusen verbindet – d. R.). Die klassische Brücke in Köln, die so viele Probleme macht“, erklärte der Coach.
,
„Ich weiß, wie wichtig Florian ist“, beschwichtigt der Coach
Die war am Freitagvormittag tatsächlich in beiden Fahrtrichtungen gesperrt, da die Pilone vereist waren. Deshalb verpassten Wirtz und Palacios das kurze Training, das vor der geplanten Abfahrt der Mannschaft an den rund 80 Kilometer entfernten Spielort noch angesetzt war. „Sie sind stattdessen dann direkt nach Dortmund gefahren“, so Xabi.
,
Doch da beide Spieler beim Training sowie der vorausgegangenen Besprechung, die dem Trainer sehr wichtig ist, weil da noch einmal explizit die Aufgaben für das Spiel erläutert, gefehlt hatten, änderte Xabi die ursprüngliche Aufstellung. „Ich wollte die Dinge klar haben. Ich weiß, wie wichtig Florian ist, aber er stieß erst spät zur Mannschaft. Das war meine Entscheidung“, sagte der Baske, der bekannt für seinen Perfektionismus ist. Es hätte ihm Unbehagen bereitet, eventuell mit Spielern zu spielen, nicht genau über den Matchplan informiert waren. Dies sei dann aber auch wirklich alles gewesen, ansonsten gebe es kein Problem.
,
Den ersten – und zugleich sehr wichtigen – Sieg in 2025 fuhr Bayer dann aber auch ohne Wirtz ein. Zumindest in den ersten 63 Minuten, bis der Nationalspieler doch noch eingewechselt wurde. Nennenswerten Einfluss konnte er jedoch nicht mehr nehmen. Das brauchte er auch nicht.
,
Denn der Meister hatte die ersatzgeschwächten Dormtunder, die wegen der Folgen einer Grippewelle ihre komplette Abwehr umbauen mussten, auch so im Griff – zumindest über weite Strecken. Bereits nach 26 Sekunden war Leverkusen durch Nathan Tella in Führung gegangen. Nach acht Minuten erhöhte Patrick Schick auf 2:0. Beide Treffer deuteten darauf hin, dass Xabi Alonso bewusst die erwartbaren Abstimmungsprobleme in der Defensive des Gegners ausnutzten wollte: Bayer überließ dem BVB das Spiel, doch nach Ballgewinnen wurde extrem schnell gekontert – zu schnell für die Dortmunder. Auch nach dem zwischenzeitlichen Anschlusstreffer durch Jamie Gittens blieb Bayer brutal effizient: In der 19. Minute traf Schick zum zweiten Mal.
Neunter Pflichtspielsieg in Serie
Selbst wenn es, gemessen am spielerischen Potenzial der Mannschaft, nicht die beste Leverkusener Saisonleistung war: Das Team von Xabi Alonso hat durch den Erfolg, der auch nach dem Foulelfmeter, den Sehrou Guirassy für den BVB zum 2:3 verwandeln konnte, nicht mehr ernsthaft in Gefahr geriet, ein Ausrufezeichen gesetzt.
,
Es war der neunte Pflichtspielsieg in Serie. Der Trend, den der Meistertrainer Anfang November eingeleitet hatte, als er bei deutlich größere Konzentration in der Defensive einforderte, setzt sich fort: Mit dem Titelverteidiger dürfte in der zweiten Saisonhälfte zu rechnen sein. „Wir waren vor dem Urlaub in einem sehr guten Flow. Jetzt müssen wir wieder in den Rhythmus kommen“, sagte Granit Xhaka.
Der war am Freitag tatsächlich noch nicht klar zu erkennen. Es war gemessen an der auf Dominanz ausgerichteten Leverkusener Spielweise eine fast schon untypische Herangehensweise. Dessen war sich Xabi ebenfalls bewusst. Zufrieden war er trotzdem – nicht nur wegen der drei Punkte. „Wir haben nicht viele Chancen zugelassen. Natürlich könnten wir mehr Stabilität haben, wenn wir mehr den Ball gehabt hätten. Aber für unsere Entwicklung ist es auch wichtig, zu sehen, dass wir auch so konkurrenzfähig sind“, sagte er.
Schließlich war es trotz allem ein Sieg ein Dortmund – und der dürfte auch bei Bayern München zur Kenntnis genommen worden sein.