Da komm‘ se nu üba vier Stufen rinjestöckelt, uff der Suche nach‘m jroßen Amüsemang: Die Isadora (Parfait De La Neige), die Claire (Bronwyn Jolley) und die Mitzi (Tamari Gigauri), leicht bekleidet und locker vorgestellt von Evi Niessner als Master of Ceremony, als Conférencieuse, die auf dem Bechstein-Flügel links auf der Bühne Platz genommen hat. An dem sitzt Mr. Leu und haut begleitend in die Tasten.
Vergnügungslokale, Revuepaläste und Kaschemmen
Auf die dreiköpfige Showtanz-Mädelstruppe folgen der Tänzer der Nacht (Uwe Czebulla) und ein Artist (Mikhail Stepanov). Auch der Pianist wird nicht allein gelassen, schräg hinterm Flügel zupft Robin Draganic den Kontrabass. Gegenüber komplettieren die Saxofonisten Tobias Rüger und Ben King Perkoff sowie Schlagzeuger Immo Hofmann die vorzügliche Live-Band des so verruchten wie eleganten Abends. Die Schauplätze: Vergnügungslokale, Revuepaläste, Kaschemmen und Bars der Goldenen Zwanziger, der „Roaring Twenties“, in Berlin und New York.
,
Während eine andere bekannte Produktion: „Berlin Berlin. Die große Show der Goldenen 20er Jahre“, sich nach ihrer Deutschlandtour über die Jahre im Admiralspalast in Berlin hält und soeben anschickt, Wien zu erobern, kommt klammheimlich die andere, kleinere und auf ihre Weise ebenfalls großartige 20er-Jahre Show aus Berlin nach Hamburg. Beide erlebten ihre Uraufführung 2019.
Die Show braucht keinen Handlungsfaden
Der „Glanz auf dem Vulkan“ erstrahlt nach der mit Standing Ovations gefeierten Hamburg-Premiere noch bis Mitte Februar im First Stage Theater in Altona. Die Show nach Buch und Regie von Niessner und Mr. Leu, die auch die Ausstattung erfanden, macht einfach Spaß, ist so vielschichtig wie abwechslungsreich, so aufgeklärt (schließlich ist bekannt, wie die Geschichte in den 30er-Jahren weiterging) wie unterhaltsam. Evi (eigentlich Eva) und Mr. Leu (bürgerlich: Rainer Leupold und mit Niessner verheiratet) ziehen überraschend viele Register der Tanz- und Revuewelt, die Show kommt ohne Handlungsfaden aus.
,
Gleich zu Beginn erklingen Hits wie „Puttin‘ On The Ritz“, den Irving Berlin 1927 schrieb und „Cabaret“ (das John Kander und Fred Ebb zwar erst 1966 für das gleichnamige Musical erfanden, dieses aber spielt ja 1931 in einem Berliner Nachtclub), doch schon das zwischen die beiden Songs eingebaute „So lang nicht die Hose am Kronleuchter hängt“ vom mit Heinrich Zille befreundeten Hermann Frey macht deutlich, dass hier auch unbekanntere Juwelen neu funkeln dürfen. Gleich im ersten Teil macht die Showtruppe übrigens per Dampfer einen Ausflug nach New York, kehrt aber zügig wieder in die deutsche Metropole Berlin zurück.
Strohhut, Melone, Matrosenkappe und Zylinder
Insgesamt 28 Songs zu und aus den 20er-Jahren erklingen, von Marlene Dietrichs „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ (Friedrich Hollaender) bis zu zwei hübschen Liedern, die aus Niessners Feder stammen, „Glanz auf dem Vulkan“ und „Perlen, Sekt und Aprikosen“. Gescannt werden in der Show zwischen Strohhut, Melone und Zylinder neben der Lust am Tanz auf dem Vulkan auch die Nachkriegsnot, die Anfänge der Emanzipation, die Rauschgiftsucht von der kleinen, grünen Fee Absinth bis zu Opium, die Unterwelt und das für viele keineswegs trügerische Gefühl, dass es kein Morgen geben könnte. Mit Anspielungen auf Putin und seinen Angriffskrieg auf die Ukraine wird die apokalyptische Stimmung, die vor hundert Jahren herrschte, ins Heute projiziert – während LED-Projektionen auf der hinteren Bühnenwand für passende Assoziationsschnipsel (etwa Geschützen) sorgen.
,
Highlights der Revue sind erstens die Tanznummern, die vom expressionistischen Ausdruckstanz bis zum frivolen Federfächertanz reichen, zweitens die artistischen Darbietungen Stepanovs, der im Cyr Wheel ungeahnt elegante Drehungen vollführt und der im zweiten Teil des Abends seine Muskeln an den Strapaten spielen lässt. Drittens kann die ausgebildete Opernsängerin Niessner durchaus bei den Hits der Dietrich und der Minelli mithalten und auch Mr. Leu ist ein entzückender, das Publikum mitreißender Sänger. Und viertens, last but not least, ist da die sympathische Band, die scheinbar ganz nebenbei ein wunderbares Live-Konzert gibt. Roaring.
,
First Stage Theater: „Glanz auf dem Vulkan“, diverse Termine bis zum 15. Februar.