Berlin. Schon in der kommenden Woche könnten wochenlange Streiks den öffentlichen Nahverkehr weitgehend lahmlegen. Was die Gewerkschaft fordert.
Wenige Tage vor der ersten Runde der Tarifverhandlungen mit der BVG droht die Gewerkschaft Verdi mit einem unbefristeten Streik. Alles hänge vom Ausgang des ersten Verhandlungstages am Mittwoch, dem 15.1.2025, ab. „Sollte die Arbeitgeberseite sich nicht bewegen, dann wird es tatsächlich zu Arbeitskampfmaßnahmen kommen“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt. „Wir meinen es ernst und sind auf alles eingestellt, bis hin zum Erzwingungsstreik.“
Verdi geht mit einer klaren Ansage in die Tarifrunde mit der BVG. 750 Euro mehr pro Monat sollen es sein. Außerdem will die Gewerkschaft ein 13. Monatsgehalt, eine Fahrdienstzulage in Höhe von 300 Euro sowie eine Schichtzulage von 200 Euro durchsetzen. Insgesamt seien das nach Angaben von Verdi 250 Millionen Euro im Jahr mehr. „Unsere Forderungen sind ambitioniert, aber gut begründet“, so Arndt weiter.
Berlin bei Löhnen für Fahrer auf dem letzten Platz
Der Verhandlungsführer argumentierte mit einem „faktischen Reallohnverlust“ seit der letzten Entgeltrunde Ende 2021, die noch vor Beginn des Ukraine-Kriegs und hoher Inflation erfolgte. „Dementsprechend ist der Nachholbedarf sehr hoch.“ Berlin sei deutschlandweit mittlerweile Schlusslicht in Sachen Bezahlung.
Nach Angaben von Verdi liege die Einstiegsstufe bei der BVG gerade mal bei 2807 Euro. In Hamburg hingegen 3329 Euro, in Thüringen bei 3246 Euro und in Bayern bei 3105 Euro. In der letzten Erfahrungsstufe betrage die Differenz zwischen Berlin (3011 Euro) und Thüringen (3774 Euro) ganze 763 Euro.
Wie herausfordernd die Arbeit für die Fahrerinnen und Fahrer unter den aktuellen Bedingungen ist, beschrieb Straßenbahnfahrer Manuel von Stubenrauch sehr eindringlich. „Wir Fahrerinnen und Fahrer spüren jeden Tag, was der Personalnotstand und die Sparpolitik anrichten. Die Situation ist längst nicht mehr tragbar.“ Er stehe oft morgens um 2 Uhr auf, damit er um 4 Uhr mit der Straßenbahn vom Hof fahren könne. „Meine Pausen werden durch Verspätungen, schlecht geschalteten Ampeln und der nicht ausreichenden Wendezeit in den Endstellen immer weniger“, sagte er.
Kaum Zeit, in den Pausen auf die Toilette zu gehen
Immer wieder komme es vor, dass von Stubenrauch so spät an der Endstelle ankomme, dass er eigentlich gleich wieder losfahren müsste. Da bliebe dann nicht einmal Zeit, um zur Toilette zu gehen. Die durch die Verspätungen ewig wartenden Fahrgäste bedeuteten viel Stress für den Fahrer, der seit zehn Jahren für die BVG arbeitet.
„Ich frage mich oft: Warum mache ich das hier eigentlich noch? Warum tue ich mir das an?“, sagte er. Er erwartet, dass die Arbeitgeberseite bei den Verhandlungen nun ein faires Angebot vorlegt. „Damit wir unseren Job unter angemessenen Bedingungen machen können und die Kundinnen und Kunden verlässlich von A nach B bringen können“, so von Stubenrauch.
Streiks werden 24 Stunden vorher angekündigt
Eine Sprecherin der BVG betonte, dass das Unternehmen auf faire Tarifverhandlungen und konstruktive Gespräche am Verhandlungstisch setze. Mit einem Angebot der Arbeitgeberseite kann Verdi am Mittwoch nicht rechnen. „Am ersten Verhandlungstag werden, wie bei Tarifverhandlungen üblich, Positionen ausgetauscht, offene Fragen geklärt und die Rahmenbedingungen für die weiteren Verhandlungstermine besprochen“, sagte die Sprecherin. Klar ist, dass die im Raum stehenden Forderungen weit von den Vorstellungen des Unternehmens entfernt sind.
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Verdi sicherte zu, dass es vor dem 15. Januar keine Aktionen geben werde, die sich auf die Fahrgäste auswirkten. Ein Streik würde mindestens 24 Stunden vorher angekündigt. Bis zum 10. April sind nach Verdi-Angaben sechs Verhandlungstermine angesetzt. Nach dem Auftakt soll es am 31. Januar weitergehen.