Blutdrucksenker: Gefährliche Nebenwirkungen? Charité-Arzt spricht Klartext

Berlin. Welche Nebenwirkungen haben Blutdrucksenker? Das haben wir einen Kardiologen gefragt. Und: Stiftung Warentest hat 66 Mittel getestet. Blutdrucksenker gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Medikamente der älteren Generation verursachten zum Teil starke Nebenwirkungen. Ob auch neuere Medikamente mit Risiken verbunden sind, hat uns ein Kardiologe verraten. Stiftung Warentest hat zudem 66 Antihypertensiva nach


Berlin. Welche Nebenwirkungen haben Blutdrucksenker? Das haben wir einen Kardiologen gefragt. Und: Stiftung Warentest hat 66 Mittel getestet.

  • Blutdrucksenker gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten.
  • Medikamente der älteren Generation verursachten zum Teil starke Nebenwirkungen. Ob auch neuere Medikamente mit Risiken verbunden sind, hat uns ein Kardiologe verraten.
  • Stiftung Warentest hat zudem 66 Antihypertensiva nach ihrer Sicherheit und Verträglichkeit untersucht. Das Ergebnis überrascht.

Wer chronischen Bluthochdruck hat, muss Medikamente einnehmen – und das in der Regel ein Leben lang. Ansonsten steigt auf Dauer das Risiko für eine Folgeerkrankung wie Herzschwäche, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Viele Betroffene brauchen im Laufe der Jahre nicht nur einen, sondern gleich mehrere Blutdrucksenker, um ihre Werte stabil zu halten.

Aber nicht alle Medikamente sind für jeden geeignet. Darauf weist auch Stiftung Warentest hin: Die Verbraucherorganisation hat 66 häufig verordnete Blutdrucksenker genauer unter die Lupe genommen und erklärt, welche sicher sind. Über mögliche Nebenwirkungen und Risiken haben wir zudem mit einem Kardiologen geredet.

Wie wirken Blutdrucksenker im Körper? 

Blutdrucksenker enthalten verschiedene Wirkstoffe, die an unterschiedlichen Stellen der Blutdruckregulierung eingreifen. Die folgenden Wirkstoffgruppen kommen in den Medikamenten am häufigsten zum Einsatz:

  • Betablocker, Betarezeptorenblocker genannt, senken den Blutdruck und die Herzfrequenz, indem sie die Rezeptoren für Stresshormone – die sogenannten Betarezeptoren – blockieren. Schüttet der Körper bei Aufregung oder körperlicher Anstrengung Stresshormone aus, können diese nicht mehr andocken. Herzfrequenz und Blutdruck steigen so nicht mehr stark an.
  • ACE-Hemmer hemmen die Bildung von Angiotensin II. Der Botenstoff sorgt dafür, dass sich die Blutdruckgefäße verengen. Das lässt den Blutdruck ansteigen. Weniger Angiotensin II im Körper führt daher zu einer Blutdrucksenkung.
  • Sartane hemmen den AT1-Rezeptor, die Andockstelle des gefäßverengenden Hormons Angiotensin II. Darum werden Sartane auch AT1-Antagonisten genannt.
  • Kalzium­antago­nisten, auch Kalziumkanalblocker genannt, verhindern, dass Kalzium vermehrt in die Muskelzellen der Blutgefäße einströmt. Dadurch erweitern sich die Blutgefäße, der Blutdruck sinkt.
  • Diuretika bewirken, dass die Nieren mehr Salz und damit Wasser ausscheiden. Dadurch ist das Flüssigkeitsvolumen im Körper geringer, was den Blutdruck senkt. 

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Bluthochdruck: Wann müssen Medikamente zum Einsatz kommen?

Die offiziellen Leitlinien zur Bluthochdruck-Behandlung definieren, ab wann der Blutdruck mit Medikamenten reguliert werden muss, um das Risiko für Folgeschäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Wenn beim Arztbesuch an zwei verschiedenen Zeitpunkten Werte von 140/90 mmHg oder höher gemessen werden, muss der Blutdruck behandelt werden. Aber Achtung: Bei der Selbstmessung gelten schon Werte ab 135/85 mmHg als Bluthochdruck.

Die Therapie sollte allerdings aus mehr als nur Medikamenten bestehen. Darauf weist auch Dr. Philipp Stawowy, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité, hin: „Die Basis der Blutdrucktherapie ist die Lebensstiländerung: Gewichtsreduktion, mediterrane Ernährung, nicht Rauchen, kein Alkohol und Stressabbau.“ Zwar könnten diese Maßnahmen nicht immer Medikamente ersetzen, so der Experte. Die Dosis und die Anzahl der Blutdrucksenker ließen sich so aber zumindest „signifikant einsparen“.

Blutdruck richtig messen

Wenn der Blutdruck zu Hause gemessen wird und das Blutdruckmessgerät falsch angewendet wird, kann es schnell zu Messfehlern kommen. Um verfälschte Werte zu vermeiden, sollten Anwender daher genau wissen, wie sie ihren Blutdruck richtig messen. Wie es richtig geht, hat uns die Kardiologin Dr. Judith Jütte verraten.

Welche Nebenwirkungen können Blutdrucksenker haben?

Blutdrucksenkende Medikamente haben eine starke Wirkung, greifen sie doch ins Herz-Kreislauf-System ein. Muss man entsprechend mit starken Nebenwirkungen rechnen? Ältere Antihypertensiva können tatsächlich „zu seltenen Nebenwirkungen wie Depression, verstärktem Haarwuchs im Gesicht oder Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel führen“, erklärt Stawowy. Allerdings kämen diese sogenannten Reservemedikamente heutzutage nur noch in bestimmten Situationen zum Einsatz – etwa bei einer Therapieresistenz.

Unser Experte

Prof. Dr. Philipp Stawowy ist stellvertretender Klinikdirektor an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Campus Virchow-Klinikum des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC). Seine klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die interventionelle Kardiologie und die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Er ist Hypertensiologe und Mitglied der klinischen Kommission der Deutschen Hochdruckliga sowie Leiter des Hypertoniezentrums am DHZC. 

Moderne Blutdrucksenker wie ACE-Hemmer, AT1-Blocker, Kalziumantagonisten, Beta-Blocker und Diuretika sind in aller Regel nebenwirkungsfrei und gut verträglich“, so der Experte weiter. Das liege nicht nur an den Medikamenten selbst, sondern an der modernen Behandlungsmethode. Dazu gehört, niedrig dosierte Blutdrucksenker zu kombinieren. „Diese Kombinationstherapie hilft, Nebenwirkungen zu vermeiden“, erklärt Stawowy. „So muss man einzelne Medikamente in der Regel nicht bis zur Maximaldosis hochdosieren, um eine Wirkung zu erzielen.“

Der Kardiologe Dr. Philipp Stawowy
Philipp Stawowy ist seit 2001 am Herzzentrum der Charité tätig. © Philipp Külker

Zudem werde die Behandlung langsam eingeschlichen und die Dosis schrittweise erhöht: „Unser Körper hat sich an den oft seit Jahren bestehenden Bluthochdruck gewöhnt“, sagt der Kardiologe. „Bei einer zu raschen Blutdrucksenkung kann dann Schwindel auftreten.“ Ziel sei es daher, den Blutdruck über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen langsam abzusenken.

Blutdrucksenker im Test bei Stiftung Warentest

Bevor ein Medikament auf den deutschen Markt kommt, wird es entweder von der Europäischen Arzneimittelbehörde oder vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft. Im Fokus steht vor allem das Nutzen-Risiko-Profil eines Medikaments: Überwiegt der gesundheitliche Nutzen die möglichen Nebenwirkungen? Nur wenn Medikamente dieses Kriterium erfüllen, werden sie zugelassen. Demnach müssen sich Bluthochdruck-Patienten bei keinem Blutdruck-Medikament Sorgen um mögliche gesundheitliche Auswirkungen machen.

Dennoch hat sich die Stiftung Warentest 66 blutdrucksenkende Mittel genauer angeschaut. Nach eigenen Angaben geht das Verbraucherportal bei der Bewertung von Medikamenten nach strengeren Kriterien vor als die Zulassungsbehörden: „Blut­hoch­druck­mittel sollten zum Beispiel nicht nur den Blut­druck verringern, sondern auch die Lebens­qualität der Behandelten steigern und ihr Sterberisiko senken“, erklärt Stiftung Warentest. Als Grundlage für die Bewertung der Blutdrucksenker dienten den Testern aktuelle Studien und klinische Untersuchungen zu den einzelnen Wirkstoffgruppen.

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Bluthochdruck-Tabletten nicht immer für jeden geeignet 

Der Test hat eine Besonderheit: Es gab keine Noten, wie es bei der Stiftung Warentest üblich ist. Diesmal bestand die Bewertungsskala lediglich aus vier Kategorien, die in Abstufungen beschreiben, ob das jeweilige Medikament zur Behandlung geeignet sei. Das Ergebnis: Das Verbraucherportal stufte alle getesteten Blutdrucksenker als geeignet ein. Ihre Wirksamkeit sei ausreichend nachgewiesen und es bestehe ein positives Nutzen-Risiko-Profil, heißt es im Testbericht.

Für alle Blutdrucksenker gilt aber eine wichtige Einschränkung: Sie sind in aller Regel nicht für alle Personengruppen geeignet. Darum nennt die Stiftung Warentest auch keinen Testsieger. Welches blutdrucksenkende Medikament im individuellen Fall die beste und sicherste Wahl ist, hängt von vielen Faktoren ab, etwa vom Alter, von Begleiterkrankungen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder einer bestehenden Schwangerschaft.  Die detaillierten Testergebnisse mit Anwendungs- und Warnhinweisen für alle 66 Blutdrucksenker finden Sie hier.

Gibt es rezeptfreie Blutdrucksenker? 

Blutdrucksenker werden vom Arzt oder der Ärztin verschrieben und sind in der Apotheke nur mit Rezept erhältlich. Rezeptfrei sind hingegen pflanzliche Mittel, denen eine blutdrucksenkende Wirkung nachgesagt wird. Häufig sind darin Extrakte aus Weißdorn, Mistel oder Hopfenzapfen enthalten. Dass solche vermeintlichen natürlichen Blutdrucksenker überhaupt eine Wirkung zeigen, ist jedoch wissenschaftlich nicht belegt. Daher eignen sich pflanzliche Präparate nicht zur Behandlung von Bluthochdruck.

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Können Blutdrucksenker gefährlich sein? 

Blutdrucksenker der neuen Generation verursachen keine schweren Nebenwirkungen. Allerdings ist vor allem bei Diuretika eine engmaschige ärztliche Kontrolle wichtig, wie die Deutsche Herzstiftung auf ihrer Seite schreibt: Die sogenannten harntreibenden Mittel bringen die Nieren dazu, mehr Wasser auszuscheiden. Damit gehen aber auch wichtige Elektrolyte für die Herzzellen verloren, etwa Magnesium oder Kalium. Die Folge: Ist die Dosis der Diuretika zu hoch, kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen.

Auch von bestimmten Kombinationen von Blutdrucksenkern wird abgeraten. So sollten etwa ACE-Hemmer und Sartane nicht zusammen eingenommen werden. Eine Untersuchung von 2008 hatte gezeigt, dass dieser Medikamentenmix die Nierenfunktion verschlechtern könnte. Die richtige Auswahl der Blutdrucksenker durch den Arzt oder die Ärztin sowie regelmäßige Blutkontrollen stellen jedoch sicher, dass keine ernsten oder gar lebensgefährlichen Neben- und Wechselwirkungen auftreten.

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Was tun, wenn ich Blutdrucksenker nicht vertrage?

Auch wenn Blutdrucksenker der neuen Generation gut verträglich sind, können Nebenwirkungen auftreten: So können Diuretika aufgrund ihrer harntreibenden Wirkung nächtlichen Harndrang hervorrufen. Bei ACE-Hemmern ist dagegen bekannt, dass sie trockenen Reizhusten auslösen können. Wenn sich Nebenwirkungen zeigen, sollten Betroffene die Medikamente aber auf keinen Fall absetzen oder die Dosierung eigenmächtig ändern – das kann mitunter zu einer starken Blutdruckerhöhung führen.

Treten Beschwerden auf, sollten Betroffene zusammen mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin besprechen, ob sie auf ein anderes Präparat umsteigen können. „Wenn Diuretika nachts zu verstärktem Harndrang führen, muss man die Einnahmezeit und die Wirkstärke ändern“, sagt Stawowy. „Also nur morgens einnehmen und nicht zu hoch dosieren.“ Zudem könnten ACE-Hemmer durch Sartane ersetzt werden: „In dieser Substanzkasse haben wir das gleiche Wirkprinzip, aber keinen Reizhusten.“

Quellen

Blut­druck­senker im Test. Mit diesen Wirk­stoffen lässt der Druck nach, in: test.de (Stiftung Warentest)

Arzneimittel im Test. So bewertet die Stiftung Warentest Medikamente, in: ebd.

Welche Blutdrucksenker-Kombination ist kritisch?, in: herzstiftung.de

ONTARGET investigators: Telmisartan, ramipril, or both in patients at high risk for vascular events, in: New England Journal of Medicine, 2008, Vol. 358:1547-1559.